von IG Architektur

Wettbewerb - "Nein, danke, da hab ich mir schon eine Meinung gebildet.

 

Betrifft: Falter-Inteview mit Umweltstadträtin Ulli Sima

Stellungnahme zum Artikel "Reichen Sie mir ein Taschentuch, damit ich meine Tränen trocknen kann" im Falter Nr. 38, ein Interview mit der Stadträtin Ulli Sima über Wiens Prüfsteine, Seite 18-20

 

Ulli Sima, die Wiener Stadträtin für Umwelt und Wiener Stadtwerke hat im letzten Falter-Interview eine aus negativen Erfahrungen resultierende fundamentale Skepsis gegenüber Architekturwettbewerben geäußert und dabei einige Stereotypen zum Wettbewerbswesen und zu Architekturschaffenden widergegeben: Wettbewerbe seien verteuernd und langwierig, Jurys prämierten unerwünschte oder kostenüberschreitende Siegerprojekte. Die ersten Aussagen sind schlicht tatsachenwidrig, die letzteren generalisieren Ausnahmefälle. Stellt man demokratische Wahlen in Frage, nur weil ein Briefkleber nicht hält? Im Folgenden eine Replik:

 

Wettbewerbe sind nicht teuer, denn ihre Kosten liegen bei 1-2% der Gesamtherstellungskosten und liefern als Ergebnis in der Regel maßgeschneiderte und qualitätvolle Lösungen innerhalb eines vorgegebenen, verpflichtenden Kostenrahmens. Von der Züricher Stadtverwaltung nahm ich mit, dass Wettbewerbe die „bestmögliche und kostengünstigste Investition“ in eine nachhaltige Gesamtgebäudebilanz darstellen.

 

Wettbewerbe sind nur dann „langwierig“, wenn sie schlecht vorbereitet sind. Sie benötigen eine etwas längere, Verfahrenszeit (man schöpft ja aus einem größeren Auswahlpool), anschließende Verhandlungsverfahren mit dem Sieger sind jedoch effizienter. Der Bund macht es vor: zig Bundeswettbewerbe beweisen zügige Verfahren und daran anschließende fristgerechte und qualitätvolle Umsetzungen. Übrigens gibt es bei Nicht-Wettbewerben häufig Terminverschiebungen, in denen ein Wettbewerbsverfahren leicht Platz gefunden hätte, etwa beim aktuellen Krankenhaus Nord.

 

Die von der Stadträtin angeführten negativen Erfahrungen mit Jurys sind zu bedauern, bilden aber eher Ausnahmefälle, meist dann, wenn sich Auslober „hübsche Bilder“, aber „billige“ Projekte wünschen. PreisrichterInnen arbeiten (einem ethisch hohen Ideal verpflichtet) beratend für Auslober und werden (meist) von ebendiesen honoriert. Sind Juryentscheide kontroversiell, liegt das an mangelnden Bestell- und Verfahrensqualitäten. Je sorgfältiger ausgelobt wird, umso sachlicher lässt sich jurieren und umso erfolgreicher sind Wettbewerbsergebnisse.  

 

Besonders ärgerlich ist das von der Stadträtin hingeworfene Bonmot, dass die Interessen der Stadt nicht darin bestünden, „möglichst viele ArchitektInnen zum Zug kommen zu lassen“. Abgesehen davon, dass es auch bei Wettbewerben am Schluss nur 1 Sieger gibt, kann es nur im Sinne jedes Auslobers sein, aus einer angemessenen Mehr-, besser Vielzahl von Einreichungen auswählen zu können. Im Übrigen sichern alle „nicht zum Zug gekommenen“ WettbewerbsteilnehmerInnen auf eigene Kosten hunderte Arbeitsplätze und beleben durch jährliche Wettbewerbsausgaben und Investitionen in Millionenhöhe Handel und Zuliefermärkte.

 

In den von der Stadt Wien 2008 herausgegebenen „Grundlagen für die Durchführung von Wettbewerben“ (Werkstattbericht 91) werden viele der hier angeführten Argumente ausführlich erläutert. Das Ignorieren dieses gemeindeeigenen Leitfadens durch eine hochrangige Kommunalpolitikerin ist umso bedauerlicher, als damit auch die jahrelange und mühselige österreichweite und vom Bund unterstützte Architekturvermittlung in Schulen und kleineren Kommunen konterkariert wird. Die Diffamierung eines ganzen Berufstandes wird als Kollateralschaden in Kauf genommen.

 

Das landläufige Vorurteil „Architekturschaffende sind teuer, unnötig und agieren verkomplizierend“ ist durch unzählige Realisierungen widerlegbar. Die Ausschaltung von Architekturschaffenden führt geradewegs in ein nicht-preiswertes, schwer kontrollierbares, standardisiertes, austauschbares und blutleeres Design-Bauen. Wien sollte diesen Weg nicht gehen. Wie es erfolgreich gehen kann, hat die Sozialdemokratie des Roten Wien aufgezeigt, sich der besten PlanerInnen der Zeit bedient und damit vielbesuchte, international bewunderte Leistungen geschaffen. Das gelingt nicht immer, aber es wäre schön, wenn man das in 70 Jahren von uns auch sagen könnte.

 

Franz Denk, Architekt und Sprecher der IG-Architektur

 

 

Das Interview im Falter 38/16 mit der Wiener Stadträtin Ulli Sima hat zurecht heftige Reaktionen hervorgerufen. Hier noch eine weitere Stellungnahme:

 

 Entgegnung der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten

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